Gespeicherte Energie, Pfeilenergie und die Effizienz von Bögen sind immer wieder Begriffe, die genannt werden, wenn es um Tuning, Pfeilphysik oder Bogendesigns geht. Oft wird die Leistung eines Bogens anhand bestimmter Kriterien bewertet oder sogar der eine Bogen mit einem anderen verglichen.
Doch worin unterscheiden sich Bögen ähnlicher Bauform und Zuggewicht von unterschiedlichen Herstellern eigentlich? Worin liegt also zum Beispiel der Unterschied zwischen drei Take-Down-Jagdrecurvebögen mit annähernd gleichem oder identischem Zuggewicht von Hersteller A, Hersteller B und Hersteller C?
Offensichtlich sind für uns natürlich die Unterschiede in deren Optik (verwendete Hölzer), Haptik (unterschiedliche Griffformen oder Oberflächen), Eigengewicht und manchmal auch deren Auszugsverhalten.
Weniger offensichtlich ist für viele aber ein eventueller Unterschied in der echten und nicht nur subjektiven Leistung der Bögen, d.h. wie effizient sie die durch das Ausziehen der Sehne gespeicherte Energie an einen Pfeil weitergeben oder wie viel Energie sie tatsächlich speichern und abgeben könnten. Oftmals werden nur Pfeilgeschwindigkeiten als Wert für die Leistung eines Bogens angegeben. Doch dies ist etwas kurz gesprungen, weil die Pfeilgeschwindigkeit nur eine Seite der Medaille ist – genau genommen sogar nur ein Teil der Seite der Medaille.
Grundsätzlich gilt aber bzgl. der Effizienz: Je effizienter ein Bogen ist, desto mehr „macht“ er aus dem Zuggewicht und desto qualitativ hochwertiger kann ein Bogen eingeschätzt werden.
In diesem Artikel möchte ich etwas auf den Begriff der Effizienz eingehen, wie man diese ermittelt und welche Maßnahmen die Effizienz eines Bogen-Pfeil-Setups steigern oder senken können.
Wie hängen gespeicherte Energie und abgegebene Energie zusammen?
Jeder Bogen kann maximal 100% der durch das Ausziehen des Bogens in ihm gespeicherten Energie wieder abgeben bzw. an den Pfeil übertragen. Da aber neben dem Pfeil auch die Sehne und Wurfarme bewegt werden müssen und es natürlich bedingt durch Materialverformung zu „Verlusten“ kommt, kann man folgende vereinfachte Energieformel aufstellen:
ESpann = Ekin Pfeil + Ekin Sehne + Ekin Wurfarme + EVerf.Pfeil
Oder man könnte es auch so ausdrücken:
ESpann = Ekin Pfeil + EEffizienzverlust
Durch einen Vergleich der Abschussenergie (Ekin) des Pfeils mit der gepeicherten Energie des Bogens (ESpann) lässt sich eine Effizienz nach dem Schema
Effizienz = Ekin : ESpann
ableiten. Je näher diese Zahl an 1 bzw 100% kommt, desto effizienter – man könnte auch sagen „leistungsfähiger“ – ist das vorliegende Pfeil-Bogen-System. Oder anders gesagt: Je kleiner die Effizienz, desto mehr Energie geht beim Übertrag auf den Pfeil verloren bzw. verbleibt im Bogen.
Was ist die Energie, die ein Bogen speichert und wie ermittle ich diese?
Ein Bogen ist physikalisch im Grunde genommen nichts anderes, als eine Feder, die gespannt wird. Je weiter eine Feder gezogen wird, desto mehr Kraft wird benötigt, um die Feder zu spannen und umso mehr Energie wird frei, wenn ich diese Feder loslasse.
Die in einer Feder gespeicherte Energie berechnet sich, indem man die sog. Federkonstante mit dem Weg, den man beim Ziehen zurückgelegt hat, im Quadrat multipliziert und das Ergebnis mit ½ multipliziert.
E(Spann) = ½ x D x S².
Weil die Federkonstante D nichts anderes ist als die Zugkraftzunahme pro Wegstrecke (Z geteilt durch S), kann man die Energie auch durch ½ x Z x S berechnen.
Die in einer gespannten Feder gespeicherte Energie ist also nichts anderes als die Fläche unter dem Graphen des Auszugsdiagramms der Feder.
Bei einem Bogen ist das im Wesentlichen nicht anders. Auch hier ist die gespeicherte Energie die Fläche unter dem Graphen des Auszugsdiagramms. Jedoch anders als bei einer Feder, ist die Berechnung allerdings nicht so einfach möglich, da der Verlauf Kraft/Weg beim Bogen nicht konstant ist.
Ein Bogen hat keine Federkonstante, die die Steigung der Auszugsdiagrammkurve vorgibt, sondern je nach Form der Wurfarme und auch Länge der zurückgelegten Auszugsstrecke verläuft der Graph unterschiedlich. Daher ist die Ermittlung der in den Wurfarmen durch deren Biegung gespeicherten Energie auch nicht einfach durch eine Formel à la ½ Zuggewicht x (Auszugslänge – Standhöhe) möglich.
Vielmehr muss zur Ermittlung der gespeicherten Energie eines Bogens zunächst ein Auszugsdiagramm erstellt werden und in einem zweiten Schritt dann basierend auf diesen Daten näherungsweise die Fläche unter dem Auszugsdiagrammgraphen ermittelt werden.
Hier bin ich bei der Messung des Shrew Bows Super Shrew Extreme von Thomas Brugger zu sehen.
Das Auszugsdiagramm wird ganz einfach erstellt, indem bei einem vorliegenden Bogen beginnend mit dem Zuggewicht auf Standhöhe (0 lb.) z.B. bei jedem Zoll Auszug nach A.T.A.-Standard das Zuggewicht gemessen und notiert wird. Je mehr Messwerte genommen werden, desto genauer ist das Auszugsdiagramm und am Ende die Berechnung. Zum Zweck einer einfachen und einheitlichen Messmöglichkeit, haben wir uns eine entsprechende Vorrichtung gebaut, in die ein Bogen am Pivot-Point eingelegt werden kann.
Nachdem alle Werte genommen sind, kann das Auszugsdiagramm erstellt werden.
Die Fläche unter dem Auszugsdiagramm lässt sich näherungsweise durch Aufteilung in viele kleine Rechtecke und Dreiecke bestimmen. Für jedes dieser Drei- und Rechtecke muss die Fläche berechnet werden und am Ende die Flächen aufaddiert werden. Zudem ist eine Umrechnung notwendig um die Energie in Joule zu erhalten. Zur Vergleichbarkeit gebe ich die Energie auch immer noch in der von den Amerikanern verwendeten Einheit Foot-Pound (ft.lb.) an.
Damit auch du deine Bögen vermessen kannst und Auszugsdiagramm und Effizienz errechnen kannst, habe ich ein Exceldokument erstellt, mit dessen Hilfe dies recht einfach ist.
Das oben abgebildete Auszugsdiagramm stammt von einem Bodnik Bows Mohawk Recurve Long. Er hat bei meinem Auszug von 31 Zoll (A.T.A) 47,1 lb. und eine gespeicherte Energie von 63,12 Joule (46,55 ft.lb.). Die genauen Messdaten dazu findest du hier.
Wie ermittle ich, welche Energie ein Bogen an den Pfeil abgibt?
Die an den Pfeil abgegebene Energie bzw. besser gesagt, die vom Pfeil aufgenommene Energie, lässt sich sehr leicht berechnen, wenn man die Abschussgeschwindigkeit des Pfeils und dessen genaues Gewicht kennt.
E(kin) = ½ x Gewicht x Geschwindigkeit²
Als Beispiel können wir wieder den oben bereits erwähnten Mohawk Recurve heranziehen. Mit ihm habe ich einen Penthalon TimberStick 400 geschossen, der 383,2 gr. wiegt und im Mittel 207 ft./s. als Abschussgeschwindigkeit gemessen.
Der hat also eine Energie von 0,5 x 383,2 x 207² x 6,020015 x 10-6 = 49,42 Joule (36,45 ft.lb.)
Kurz zur Erklärung: Die letzten beiden Faktoren, also 6,020015 x 10-6, werden aufgrund der Umrechnung in Joule benötigt!
Praktische Relevanz der Effizienz
Praktische Relevanz hat die Frage nach der gespeicherten Energie und Effizienz eines Bogens oder Bogen-Setups nur für die vergleichende Betrachtung. Man kann durch die Ermittlung der Effizienz folgende Vergleiche durchführen:
- Vergleich von Bögen mit identischem oder annähernd identischem Zuggewicht, bei denen aus einer vorliegenden Auswahl an Bögen der für den jeweiligen Testschützen und seinen Auszug effizienteste Bogen bestimmt werden kann.
- Vergleich von unterschiedlich schweren Pfeilsetups auf ein und demselben Bogen.
- Vergleich von verschiedenen Auszugslängen auf einem Bogen, sofern das GPP-Pfeilgewicht annähernd gleich bleibt.
Vergleiche wie unter 1. und 2. genannt, haben wir schon mehrfach durchgeführt, um die Wirkmechanismen bzgl. der Effizienz zu besser zu verstehen und praktisch nachzuweisen. Nachfolgend daher zwei Beispiele.
Vergleich von Bögen oder Bogen-Setups
Wir haben einen Bogenvergleich zuletzt beispielhaft am Rande eines unserer Bogenkurse durchgeführt. Hintergrund des hier aufgeführten Vergleichs war, dass ein Kursteilnehmer auf uns zukam und gerne einmal die Pfeilgeschwindigkeiten seiner Bögen und Pfeile gemessen haben wollte. Nach Tests mit dem Chrony war er und zunächst auch wir doch sehr verwundert über das stark unterschiedliche Abschneiden seiner beiden Bögen.
Weil aller guten Dinge drei sind, haben wir dann noch einen Bogen von uns beigesteuert und einen ausführlichen Vergleichstest mit den drei Bögen beim Auszug unseres Kursteilnehmers durchgeführt.
Achtung: Noch ein kurzer Hinweis vorweg!
Bevor nun konkrete Messwerte, Herstellernamen und Bögen aufgezählt werden, möchte ich darauf hinweisen, dass es hier nicht um einen generellen und allgemeingültigen Vergleich von Hersteller A mit Hersteller B oder Bogen X und Bogen Y geht. Es geht uns auch nicht darum einzelne Bögen oder Hersteller herauszuheben oder in ein schlechtes Licht zu rücken, sondern darum, die Physik und Einflüsse auf gespeicherte Energie und Effizienz von Bogensetups (Bogen+Pfeile+Schütze) anhand eines echten Beispiels zu untersuchen und daraus allgemeingültige Schlussfolgerungen zu ziehen, die für die Auswahl des richtigen, weil z.B. effizientesten, Bogens relevant sind.
Vergleich der gespeicherten Energie
Untersucht haben wir einen älteren Bodnik Bows Big Bear (62 Zoll Bogenlänge) mit 35,6 lb. @ 28,25 Zoll, einen Falkenholz T/D-Recurve (66 Zoll Bogenlänge) mit 34,7 lb. @ 28,25 Zoll und einen Bodnik Bows Mohawk Recurve Long (62 Zoll) mit 32,5 lb. @ 28,25 Zoll.
Sowohl der Big Bear, als auch der Falkenholz T/D-Recurve gehören, unserem Kursteilnehmer, der auch Testschütze war. Damit wir einen realistischen Vergleich mit einem aktuellen und vergleichbaren Bodnik-Bows-Modell, das wir dem Schützen bei seinen Parametern empfehlen würden, darstellen konnten, haben wir zusätzlich auch noch den Mohawk Recurve 62 Zoll in den Test inkludiert.
Zunächst schauen wir uns die gespeicherte Energie an. Konkret geht es um die Energie bei einem Auszug von 28,25 Zoll (= Auszug des Testschützen).
Der Big Bear kam auf 41,32 J gespeicherte Energie, der Falkenholz auf 40,67 J und der Mohawk Recurve auf 39,12 J. Da die Bögen leicht unterschiedliche Zuggewichte haben, müssen wir die gespeicherte Energie zum Vergleichen noch auf das Zuggewicht des Bogens herunterrechnen und den Wert „gespeicherte Energie pro Pfund“ errechnen.
Für den Big Bear ergibt sich dann ein Wert von 1,16 J/lb. für den Falkenholz ein Wert von 1,17 J/lb. und für den Mohawk ein Wert von 1,20 J/lb.
Konkret bedeutet das, dass der Mohawk Recurve gegenüber den anderen beiden Bögen etwa 3-4% mehr Energie pro Pfund Zuggewicht auf den Fingern speichert. Bei ihm stünde also bei exakt gleichem Zuggewicht auf den Fingern 3-4% mehr gespeicherte Energie und damit mehr Leistung zur Verfügung, die auf den Pfeil übertragen werden kann.
Vergleich der Effizienz
Nun sehen wir uns einmal die Effizienz der drei Bögen bei exakt gleichen Testpfeilen an. Getestet wurde mit zwei unterschiedlich schweren Pfeilen: Der eine wog 288 gr. (8,1-8,9 gpp) und der andere war 350 gr. schwer (9,8-10,8 gpp.). Die nachfolgende Werte konnten wir dabei ermitteln:
Wie man erkennen kann, ist der Bodnik Bows Mohawk Recurve bei beiden Pfeilgewichten mit Effizienzen von 75% bzw. 79% der effizienteste der drei in unserem Test betrachteten Bögen.
Er schafft es beispielsweise, trotz des um 2,2 lb. geringeren Zuggewichts gegenüber dem Falkenholz T/D Recurvebogens, beide Pfeile um 9 ft./s. schneller zu beschleunigen und erzeugt somit mehr kinetische Energie. Er beschleunigt die Pfeile sogar fast auf die gleiche Geschwindigkeit, wie der 3,1 lb. stärkere Big Bear.
Interessant, oder….? Doch warum gibt es hier solch gravierende Unterschiede in der Effizienz der Bögen und der erreichten Pfeilgeschwindigkeiten? Hat das vielleicht einen ganz einfachen Grund, haben wir etwas übersehen?
Wir haben uns dann die Bögen einmal im Detail angesehen und sowohl die verwendete Sehne, als auch die Geometrie & Beschaffenheit der Wurfarme und die Bogenlängen im Detail betrachtet.
Der Mohawk Recurve war bei dem Test mit einer flämisch gespleissten 10 Strang Whisper String ausgestattet, der Falkenholz Recurve mit einer 15 Strang FastFlight Plus-Sehne und der Big Bear mit einer 12 Strang FF-Sehne. Beide letztgenannten hatten auch kleine Geräuschdämpfer eingebaut. Die drei Sehnen sind also weitestgehend vom Gewicht her gleich, gehören alle drei zu den Hochleistungssehnen und sind von gleicher Bauart.
Selbst wenn man annimmt, dass die Geräuschdämpfer und die mehrsträngige Sehne des Falkenholz 3-6 ft./s. ausmacht, würde dies höchstens einen Effizienzrückstand von 3% gegenüber den anderen beiden Bögen erklären, nicht jedoch 7-11% geringere Effizienz!
Beim weiteren Vergleich der Bögen sticht einem sofort der Unterschied in der Breite der Wurfarme ins Auge. Der Big Bear und der Falkenholz Recurve verfügen beide über eher breitere und daher vermutlich etwas schwerere Wurfarme.
Bodnik Bows Big Bear (links) und Falkenholz T/D-Recurve (rechts)
Der Bodnik Bows Mohawk Recurve dagegen kommt mit sehr schlanken Wurfarmen daher, die vermutlich auch leichter sind.
Bodnik Bows Mohawk Recurve
Allgemein gilt: Wenn die Wurfarme leichter sind, wird viel weniger Energie benötigt, um die Wurfarme mit zu beschleunigen und es steht mehr Energie für die Beschleunigung des Pfeils zur Verfügung. Auch ist der Luftwiderstand der Wurfarme natürlich geringer, sodass wiederum weniger Energie „verloren“ geht, wenn ein Wurfarm schlanker ist.
Neben diesem vermutlichen Hauptgrund für die Effizienz- und Leistungsunterschiede kann auch noch die Biegung der Wurfarme bzw. die Ausnutzung des Recurves betrachtet werden. Es geht hierbei konkret um die Frage, ob die Wurfarme bei der Auszugslänge des Schützen sich weit genug biegen, um möglichst effektiv zu arbeiten. Die Biegung der Wurfarme haben wir uns auch schon einmal in unserem Artikel zum Thema Stacking angesehen. Darin haben wir erläutert, dass ein Bogen, je näher der Winkel zwischen Sehne und Wurfarm an die 90°-Marke herankommt, effizienter arbeitet. Umgekehrt bedeutet das, dass ein Bogen, bei dem der Winkel sehr spitz ist, eher ineffizient arbeitet.
Bei dem Falkenholz Recurve konnte man deutlich sehen, dass der Winkel zwischen Wurfarm und Sehne doch sehr spitz ist und sogar die Tips des Recurve ganz leicht nach vorne deuten. Das hat zur Folge, dass der Recurve am Wurfarm nicht optimal genutzt wird. Er „klappt nicht ganz auf“, wenn man so will.
Sehnen-Wurfarm-Winkel des Falkenholz T/D-Recurve aus unserem Test
Das ist ein deutliches Problem, aber schlicht und ergreifend der nicht optimal für den Auszug des Schützen geeigneten Bogenlänge geschuldet. Ein kürzerer Bogen mit gleicher Geometrie oder ein bei dieser Bogenlänge auf die „normalen“ Auszugslängen besser abgestimmtes Wurfarmdesign wäre sicher die bessere Wahl gewesen. Der Bogen passt einfach nicht zum Schützen. Der gleiche Bogen mit 62 Zoll hätte mit Sicherheit deutlich besser abgeschnitten.
Beim Big Bear und Mohawk verhält es sich anders. Hier liegt der Sehen-Wurfarm-Winkel in einem optimaleren Bereich, da beide Bögen kürzer sind und somit besser zum Auszug des Schützen passen. Das Wurfarm-Tip deutet bei beiden Bögen nicht mehr nach vorne sondern nach hinten, was ein Zeichen dafür ist, dass der Recurve gut arbeitet.
Sehnen-Wurfarm-Winkel des Big-Bear-Recurve aus unserem Test
Im Ergebnis zeigt dieser Test sehr eindrucksvoll, wie wichtig es ist, dass bei einer Bogenberatung und der Auswahl eines Bogens auf das Zusammenspiel zwischen Schütze (Auszugslänge) und Bogengeometrie (ideale Eignung für Auszug des Schützen) geachtet wird. Denn nur so kann der „richtige“ Bogen für den Schützen gefunden werden!
Damit du diesen Test nicht fehlinterpretierst, möchte ich abschließend und ergänzend zu meinem Hinweis oben, noch einmal folgendes festhalten und betonen: Keines der Ergebnisse dieses Vergleichstests ist geeignet, um generell eine Aussage darüber, welcher der verglichenen Bögen oder Hersteller generell besser oder schlechter ist, zu treffen. Das wollen wir hier auch nicht tun. Es ging lediglich darum, zwei vorliegende Bögen des Testschützen und einen weiteren Bogen von uns zu untersuchen und Gründe für mögliche Effizienzunterschiede bei vermeintlich baugleichen Bögen darzulegen. Alles andere wäre Äpfel mit Birnen verglichen und ist unzulässig! Davon möchte ich mich deutlich distanzieren.
Aus dem Vergleich der Bögen lassen sich folgende Erkenntnisse ableiten:
- Die Bogengeometrie muss zum Auszug des Schützen passen, damit der Bogen am effizientesten Arbeitet. Falsche Bogenlänge kann man als Effizienzkiller Nr. 1 bezeichnen.
- Das Gewicht im Wurfarm ist sehr kritisch. Da die Wurfarme mit beschleunigt werden müssen, schlucken Sie im Zweifel viel Energie, die dann nicht mehr beim Pfeil ankommt.
- Auch die Bogensehne kann bei zu viel Gewicht durch Geräuschdämpfer oder zu viele Stränge unnötige Energie schlucken.
Gespeicherte Energie und Effizienz mit verschiedenen Pfeilen
Nicht nur beim Vergleichen von Bögen kann uns eine Betrachtung der Effizienz Erkenntnisse bringen, sondern auch beim Vergleich von mehreren Pfeilsetups bei ein und demselben Bogen. Betrachten wir nun also weiter den bereits ganz zu Beginn des Artikels genannten Mohawk Recurve Long von Bodnik Bows mit 47,1 lb. @ 31 Zoll Auszug und schauen uns einmal die Messwerte von drei verschieden schweren Pfeilen an, die mit dem Bogen abgeschossen werden.
Der erste Pfeil, den wir betrachten, ist der bereits oben erwähnte Timber Stick 400. Die 207 ft./s. schnellen und 383,2 gr. schweren Pfeile haben eine kinetische Energie von 49,42 Joule.
Die Effizienz dieses Bogen-Pfeil-Systems beträgt also im konkreten Fall 49,42 Joule / 63,12 Joule = 78%.
Schauen wir uns einmal an, wie sich die Effizienz ändert, wenn ich stattdessen jetzt einen schwereren, aber vom Spine trotzdem passenden Pfeil schieße. Ein Penthalon Traditional Black 400 kommt auf ein Gewicht von 443,7 gr. und einer Abschussgeschwindigket von 196 ft./s. Die Energie beträgt dann hier 51,31 Joule und die Effizienz 81%.
Schauen wir mal was passiert, wenn ich einen leichteren Pfeil schieße. Ein 500er Penthalon TimberStick mit leichterer Spitze und einem Gewicht von 331,3 gr. kommt auf eine Pfeilgeschwindigkeit von 219 ft./s.
Die Effizienz beträgt hier nur noch 47,83 Joule / 63,12 Joule = 76%.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Effizienz – also die Menge seiner gespeicherten Energie, die der Bogen auf den Pfeil übertragen kann – mit sinkendem Pfeilgewicht kleiner wird. Umgekehrt kann ein Bogen mehr von seiner gespeicherten Energie auf einen schwereren Pfeil übertragen. Grund dafür ist, dass nur Masse Energie aufnehmen kann.
Erwartet hätte man sicher, dass die Effizienz gleich bleibt und sich nur die Geschwindigkeit des Pfeils entsprechend der Gewichtsänderung erhöht. Jedoch ist dies offensichtlich nicht der Fall. Die Pfeilgeschwindigkeit steigt nicht im gleichen Maße, in dem das Pfeilgewicht abnimmt.
Daraus lassen sich zwei Folgerungen für das Pfeiltuning ableiten:
- Je leichter der Pfeil ist, desto ineffizienter ist die Energieübertragung vom Bogen auf den Pfeil. Das heißt es verbleibt mehr Energie im Bogen, was sich u.a. durch Handschock und Lauterwerden des Bogens bemerkbar macht und die Wahrscheinlichkeit den Bogen zu beschädigen nimmt dabei zu.
- Will man die Pfeilgeschwindigkeit signifikat erhöhen, so muss massiv Pfeilgewicht reduziert werden, was u.U. zu o.g. Problemen führen kann. Um die Pfeilgeschwindigkeit um ca. 12% zu erhöhen musste ich wegen des Effizienzverlustes durch das niedrigere Gewicht das Pfeilgewicht um satte 25% reduzieren.
Beispiel Monsterbögen von Thomas Brugger
Wunderbare Extrembeispiele für die Notwendigkeit von Pfeilmasse und auch einem passenden Spinewert zur Energieübertragung haben die Messreihen, die wir mit den Monsterbögen von Thomas Brugger Mitte August durchgeführt haben, geliefert.
Wenn das Pfeilgewicht „gegen Null“ geht, geht auch die Effizienz in den Keller. Ganz egal bei welchem Bogen und Hersteller!
Wir konnten u.a. bei seinem „125er Falkenholz T/D-Recurve“ bei einem Pfeilgewicht von 2,4 gpp. (116,9 lb. und 280 gr. Pfeilgewicht) nur noch eine Effizienz von 49% feststellen.
Auch der Bodnik Bows Redman Extreme (148,0 lb.) war mit diesem Pfeil (1,9 gpp.) nicht besser und erreichte nur eine Effizienz von 46-50%. Da Thomas den Bogen nach diversen Schusstests nicht mehr voll ausziehen konnte, sind unsere Ergebnisse bzgl. des Redman nicht ganz aussagekräftig. Daher kann ich beim Redman Extreme nur einen Effizienzbereich angeben.
Aber konkret heißt das für beide dieser Bögen, dass 50% deren gespeicherter Energie nicht in kinetische Energie des extrem leichten Testpfeils umgewandelt werden kann und unter anderem zu einem großen Teil im Bogen verbleibt. Wir sprechen hier von 80 bis 100 Joule, die „verloren“ gehen… Wahnsinn!
Thomas Brugger mit dem Super Shrew Extreme in Action
Das hohe Zuggewicht kommt ja in aller erster Linie durch mehr Material und damit mehr Gewicht im Wurfarm. Ich vermute es geht ein Großteil der Energie schon im Beschleunigungsprozess der schwereren Wurfarme „verloren“. Auch geht viel Energie verloren, wenn der Pfeil nicht das richtige Durchbiegeverhalten aufweist. Die verfügbaren Spinewerte bei diesen Zuggewichten reichen schlichtweg nicht aus (sie sind zu weich) um eine effizientere Energieübertragung zu ermöglichen.
Daraus darf man aber nun nicht schließen, dass Monsterbögen per se ineffizient sind. Es sind eher die extremen Setups von extremen Schützen, die ineffizient, aber natürlich trotzdem sehr schnell sind. Wenn man Monsterbögen mit halbwegs vernünftigen Pfeilen schießt, dann ergeben sich auch halbwegs ansehnliche Effizienzen.
Mit dem schwersten Pfeil im Test haben alle Monsterbögen auch ihre höchsten Effizienzen gehabt. Die höchste Effizienz bei den Bögen über 100 lb. hatte erwartungsgemäß der Super Shrew Extreme, u.a. weil bei ihm der GPP.-Wert am höchsten war. Bei einem Zuggewicht von 108,2 lb. liegt hier bei einem 690 gr. „schweren“ Bambuspfeil ein spezifisches Pfeilgewicht von 6,4 gpp. an. Hier konnten wir 72% Effizienz errechnen.
Im Ergebnis gilt bei solchen starken „Monsterbögen“ exakt das gleiche, wie bereits oben beim Vergleich von Pfeilsetups erwähnt. Durch starke Reduzierung des Pfeilgewichts kann nur bedingt mehr Geschwindigkeit erreicht werden. Dafür nehmen aber insbesondere Lautstärke und Handschock zu, der Bogen nimmt langfristig Schaden und die kinetische Energie des Pfeils durch den Effizienzverlust nimmt wieder nur unterproportional zu.
Wie effizient sind „normale“ traditionelle Bögen denn jetzt?
Ganz generell kann man eine Antwort darauf wahrscheinlich nicht geben. Wir haben bislang etwa 15 „normale“ (also ohne die Monster) Lang- und Recurvebögen mit insgesamt 45 Pfeilsetups getestet. Angesehen haben wir uns Auszugslängen von 27,5 bis 31 Zoll bei Zuggewichten von 32 bis 52 lb. auf den Fingern. Die spezifischen Pfeilgewichte lagen dabei zwischen 5,4 und 13,2 gpp. Dadurch haben wir aber einen schönen Querschnitt durch die Welt der traditionellen Bögen abbilden können.
Die Effizienzspanne bei den untersuchten Bögen liegt bei 63 – 81%. Wenn man nach Pfeilgewichten unterteilt, kann man folgende Effizienzbereiche nennen:
Bei Pfeilgewichten unter 7,0 gpp. lag sie bei 63 – 74%. Bei Pfeilgewichten von 7,0 – 8,4 gpp. bei 70 – 80% und bei Pfeilgewichten ab 8,5 gpp. bei 68 – 81%.
Der Mittelwert der Effizienzen lag bei 75%, was meiner Meinung nach allgemein ein sehr respektabler Wert für den Wirkungsgrad ist.
Was nützt nun das Wissen um die Effizienz und Energieabgabe eines Bogens?
Natürlich ist die Frage, was man mit diesem Wissen nun anfangen kann, berechtigt und nicht jedermann muss sich damit befassen. Jedoch lassen die Erkenntnisse aus den oben genannten Zusammenhängen und insbesondere die Folgerungen aus den Messreihen folgende Schlüsse zu, nach denen man sich bei der Wahl eines Bogens bzw. Pfeils richten kann.
- Bögen können auch bei gleicher Bauart deutlich unterschiedliche Effizienzen haben, die objektiv gemessen werden können.
- Eine unterschiedliche Effizienz bei zwei Bögen mit identischem Zug-, Sehnen und Pfeilgewicht, sowie Bauform ist eine Kenngröße, mit der man die der Qualitätsunterschiede zweier Bögen bezogen auf einen konkreten Schützen beurteilen kann.
- Die Effizienz eignet sich als Vergleichsmaßstab besser, als die Pfeilgeschwindigkeit, da diese die vom Schützen aufzuwendende Energie zum Auszug des Bogens (Input) mit der Pfeilenergie (Output) ins Verhältnis setzt.
- Wenn ich einen effizienteren Bogen schieße, d.h. einen Bogen, der bei gleichem Zuggewicht mehr Energie auf den Pfeil überträgt, kann ich entweder mehr Pfeilgeschwindigkeit erreichen, in mehr Schussruhe und Präzision durch einen schwereren Pfeil investieren oder ein besser zu kontrollierendes, niedrigeres Zuggewicht schießen, ohne Geschwindigkeitsverluste zu befürchten.
- Pfeilgeschwindigkeit ist das Ergebnis von möglichst idealer Energieübertragung und minimalen Energieverlusten durch optimales Tuning von Pfeil, Sehne und einem perfekt gebauten Bogen.
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Daniel Goll
Bereits vor über 20 Jahren entdeckte er das Traditionelle Bogenschießen für sich und hat bei zahlreichen Turnieren und Meisterschaften geschossen. Über die Jahre hinweg hat er viele Bogenschützinnen und Bogenschützen bei ihrem Einstieg in das Bogenschießen und dem Erlernen der instinktiven Zieltechnik unterstützt.