Du stehst vielleicht gerade kurz vor dem Kauf eines neuen Bogens und weißt noch nicht welcher der Richtige für dich ist. Oftmals muss man in diesem Fall nicht nur die Frage, welches Zuggewicht der neue wohl haben soll, für sich beantworten, sondern man wird auch mit der Frage konfrontiert, welche Bogenlängen überhaupt in Betracht kommen.
Verschiedene Quellen im Internet und leider auch manche Händler verweisen auf Tabellen, die sich bzgl. der Bogenlänge lediglich an der Körpergröße des jeweiligen Schützen orientieren. Doch mit den Körpermaßen des Schützen hat die Bogenlänge zunächst nur indirekt etwas zu tun. Worauf es wirklich im Detail ankommt, erfährst du in diesem Artikel.
Unterschied zwischen langen und kurzen Bögen
Zunächst möchte ich einmal die grundsätzlichen Unterschiede von langen und kurzen Bögen gegenüberstellen, damit du weißt in welchem Spannungsfeld du doch bei der Frage nach der richtigen Bogenlänge bewegst.
Auszugsverhalten & Komfort beim Auszug
Ganz generell kann man unabhängig von der konkreten Auszugslänge des jeweiligen Schützen sagen, dass sich ein längerer Bogen deutlich weicher und komfortabler ziehen lässt, als ein kurzer Bogen.
Das liegt einfach daran, dass die langen Wurfarme des längeren Bogens nicht so sehr gebogen werden und einem das Ziehen – besser gesagt die Zunahme des Zuggewichts während des Ausziehens – leichter vorkommt. Auch lässt sich ein längerer Bogen viel weiter „weich“ ausziehen als ein kurzer Bogen. Kurze Bögen kommen früher ins Stacking und verlassen damit den Komfortbereich in Bezug auf das Auszugsverhalten früher.
Wirkungsgrad des Bogens und Pfeilgeschwindigkeit
Im Gegenzug dazu ist die Energie, die ein Bogen abgeben kann bei kurzen Bögen meist etwas größer, da sie wesentlich mehr Vorspannung haben und die Wurfarme stärker gebogen werden, als bei einem langen Bogen. Insofern sind kürzere Bögen bei gleicher Auszugslänge und Zuggewicht auf den Fingern meist schneller. D.h. die Abschussgeschwindigkeit des Pfeils ist höher mit entsprechenden Vorteilen. (Zum Thema Pfeilgeschwindigkeit siehe auch der Artikel „Eine hohe Pfeilgeschwindigkeit ist nur die halbe Miete“)
Schusspräzision und Kontrollierbarkeit des Bogens
Ein längerer Bogen ist in der Regel besser kontrollierbar, wodurch die Trefferpräzision höher ist, als bei einem kurzen Bogen. Dafür gib es zwei Gründe. Nr. 1 ist der bei längeren Bögen größere Sehnenwinkel an der Zughand. Dadurch wirken sich kleine Fehler beim Ablass wesentlich weniger aus. Grund Nr. 2 ist die größere Trägheit durch das Mehr an Länge und Gewicht des langen Bogens. Dadurch reagiert ein langer Bogen weniger empfindlich auf „Wackler“.
Warum die Wahl der Bogenlänge abhängig von Auszugslänge und Bogengeometrie ist
Die oben genannten Grundsätze gelten ganz allgemein für alle Bögen und Bogenarten im Traditionellen Bogenschießen. Jedoch kann man bei der Wahl der richtigen Bogenlänge nicht nur auf diese Grundsätze abstellen und pauschale Aussagen treffen, sondern muss auch exakt den jeweils in Erwägung gezogenen Bogen betrachten.
Ob ein Bogen eines bestimmten Herstellers mit seiner Länge zum Schützen passt, ergibt sich aus der Bogengeometrie und dem Auszugsverhalten des Bogens beim Auszug des Schützen. Als Grundregel kann man aber festhalten: Bei einem kurzen Auszug braucht man einen kürzeren Bogen, bei einem langen Auszug einen längeren Bogen.
Vor- und Nachteile von kurzen/langen Bögen auf einen Blick
Damit du direkt die bereits oben angedeuteten Unterschiede bzw. Vor- und Nachteile eines kurzen oder langen Bogens sehen kannst, hier eine kurze Zusammenfassung:
Vorteile von langen Bögen
- spätes oder gar kein Stacking
- auch für längere Auszugslängen geeignet
- fehlerverzeihender und damit mehr Trefferpräzision
Nachteile von langen Bögen
- langsamere Pfeilgeschwindigkeit, als ein kurzer Bogen mit identischem Zuggewicht
Vorteile von kürzeren Bögen
- schnellere Pfeilgeschwindigkeit, als ein langer Bogen mit identischem Zuggewicht
Nachteile von kurzen Bögen
- früheres Stacking
- nur für kurze bis mittlere Auszugslängen geeignet
- empfindlicher für Fehler und damit Präzisionseinbußen
Wie finde ich heraus, ob ein bestimmter Bogen und dessen Bogenlänge zu mir passt?
Ob ein Bogen mit seiner Bogenlänge zu dir passt, kannst du, ohne ihn tatsächlich in den Händen zu halten, nur sehr schwer beurteilen! Jedoch gibt es die Möglichkeit mittels eines Blickes auf das vom Hersteller veröffentlichte Auszugsdiagramm einen ersten Eindruck vom Auszugsverhalten des Bogens und damit von dessen Komfortbereich zu bekommen. So kann man relativ einfach sehen, ob der gewünschte Bogen beim eigenen Auszug schon im „Stacking-Bereich“ arbeitet, was ein Ausschlusskriterium wäre. Manche Hersteller geben auch explizit maximale Auszugslängen bzw. Auszugslängenempfehlungen für ihre Bögen an. Das kann natürlich ebenfalls helfen.
Beim Probeschießen eines Bogens kannst du zunächst prüfen, ob der Sehnenwinkel an den Fingern angenehm für dich ist. Insbesondere der Ringfinger wird bei einem zu spitzen Sehnenwinkel meist sehr stark seitlich belastet, was man in der Regel auch sofort merkt. Wenn der Sehnenwinkel zu klein ist, dann ist der Bogen zu kurz.
Neben dem Sehnenwinkel an der Zughand kannst du auch den Winkel zwischen Sehne und Wurfarm beim Vollauszug betrachten bzw. betrachten lassen. Je näher der Winkel hier an die 90° herankommt, desto besser. Auf keinen Fall sollten die Spitzen der Tips noch nach vorne zeigen. Wenn der Winkel hier sehr Spitz ist, oder die Tips noch nach vorne oder gerade so senkrecht nach oben zeigen, dann ist der Bogen zu zu lang. Wenn der Winkel Wurfarm/Sehne größer als 90° ist, dann ist der Bogen definitiv zu kurz.
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Daniel Goll
Bereits vor über 20 Jahren entdeckte er das Traditionelle Bogenschießen für sich und hat bei zahlreichen Turnieren und Meisterschaften geschossen. Über die Jahre hinweg hat er viele Bogenschützinnen und Bogenschützen bei ihrem Einstieg in das Bogenschießen und dem Erlernen der instinktiven Zieltechnik unterstützt.